Bei seeeeehr frühem Tageslicht betrachtet gibt Nyalam doch weniger her als gestern noch geglaubt, sehr schön aber das Schild „Whole Sale Marbef“ am Supermarkt. Man ist schnell wieder draußen und auf dem Weg in Richtung Grenze. Der Grenzübergang Zhangmu/Kodari ist der Haupthandelsweg zwischen Nepal und Tibet beziehungsweise überhaupt der einzige Weg, auf dem man die Grenze mit Auto/LKW überschreiten kann. Man darf sich jetzt aber keine Straße vorstellen, schon gar keine asphaltierte, sondern eine kühn in eine beeindruckende Schlucht hineingehauene Schotterstraße, kaum zweispurig und in der Regenzeit ständig von Murenabgängen bedroht.
Schon kurz nach Nyalam beginnt die Vegetation sich zu verändern; der Übergang von tibetischem Hochland zu subtropischem Bergwald ist unheimlich gach. Seit ein paar Bambusstauden in der Nähe von Purang haben wir eine Woche lang kaum andere Vegetation als höchstens kniehohe Grasbüschel gesehen (Tibet ist ja in der Tat eine Hochwüste samt gelegentlicher Sanddünen), jetzt haut uns das satte Grün des Waldes schier das Aug ein. Zu dieser Reizüberflutung gesellt sich die Wahrnehmung der Steilheit, mit der es von der Straße zum Fluss hinunter geht (wir haben uns, offen gesagt, ziemlich ins Kleiderl gemacht). Die Abfahrt vom Pass auf 5200m bis zum tiefsten Punkt der Strecke auf 700m ist mit mehr als 120 Kilometer (schätzungsweise) die längste durchgehende der Welt, man bekommt hier also ein ziemlich gutes Gefühl dafür, wie gewaltig sich der Himalaya vom Subkontinent abhebt.
Zhangmu ist ein Ort, der entlang der sich den Berg hinabwindenden Serpentinen gebaut ist. Auf den Straßen wurlt es, alles muss hier durch, von der Sau (die hier übrigens in der Einser-Panier durch die Stadt getrieben wird) bis zum LKW. An der Bottleneck-Stelle staut es sich in drei Spuren über die gesamte Straßenbreite, man fragt sich, wie die von der nepalesischen Seite heraufkommenden Fahrzeuge da durchkommen sollen. Irgendwann wird uns geheißen, zu Fuß zur Grenzabfertigung zu gehen, die für sich betrachtet eine ziemliche Farce bzw. Machtdemonstration ist: Wir werden – wieder ordentlich der Reihenfolge in der Liste folgend – registriert und müssen unser Rucksackerl ins Röntgen legen, während unsere Jeeps einfach durchgewinkt werden (glücklicherweise habe ich meine in Nyalam zum Schnäppchenpreis erworbene Kalashnikow dort gelassen).
Die eigentliche Grenze kommt erst 8 Kilometer weiter unten an der Friendship-Bridge, dazwischen liegt das Niemandsland. Unsere Fahrer dürfen bis knapp vor die Brücke fahren, dann nehmen wir erleichtert Abschied von unserem heute die ganze Fahrt über bedrohlich knatterndem Gefährt. Wie sollen die Fahrer damit wieder bis nach Lhasa bzw. Purang kommen? Vor dem LKW entsteht im Handumdrehen eine große Schlange von unheimlich dünnen nepalesischen Gepäcksträgern, die einen Apfel und ein Ei damit verdienen, dicken Touristen das Zeug nach Kodari hinunterzutragen. Mich überkommt beim Gedanken an mein 20kg-Ungetüm ein unangenehm koloniales Gefühl. Aber selber tragen ist nicht besser, die Leute brauchen das Geld...
Unten in Kodari, auf der nepalesischen Seite, müssen wir ein Visum beantragen. Für die, die kein Foto haben, gibt es eine Lösung, die hart an der Grenze zur Schmierage steht: Einfach 5$ löhnen, dann interessiert keinen mehr, wie der Einreisewillige ausschaut. Bei wem meine fünf Dead Presidents wohl landen? Und wie lange müsste man hier für diesen Preis Gepäck tragen?
Während wir speisen (Gemüsecurry für umgerechnet 50 Cent), kommen schön langsam Bus und Gepäck zusammen, wobei die Betonung auf langsam liegt. Kodari ist vollgestopft mit (meist liebevoll mit gefakten Markenlogos verzierten) LKWs, da muss man durch, ebenso durch das Gackhaufenminenfeld am Straßenrand, denn niemand stellt den stundenlang wartenden Fahrern ein Klo auf.
Die Busfahrt zurück nach Kathmandu wirkt wie ein zu schnell abgespielter Film, man weiß nie, auf welcher Seite man hinausschauen soll, einmal versäumt man links einen Wasserfall, dann rechts eine beeindruckend lange Hängebrücke über den Fluss. Der Kontrast zu Tibet ist einfach enorm, man sieht hier innerhalb einer Stunde mehr Menschen als während der ganzen vergangenen Woche.
Irgendwann wird der zu schnelle Film leider doch etwas fad, immerhin braucht der Bus für die 180 Kilometer nach Kathmandu stolze 4½ Stunden. Wenig hilfreich für das Vorankommen ist ein Patschen - und hier möchte ich dann noch eine Frage in den Raum stellen: Warum sagt der Fahrer zuerst, dass er was essen muss, obwohl wir eigentlich einen Patschen haben – oder umgekehrt? Hat er leicht eine Freundin in Barabise? Macht nicht viel, ich schlendere mit den Gebrüdern Gahleitner (ich hab sie zuerst sehr verstimmt, als ich stattdessen scherzhaft „Gauleiter“ sagte...) durch das Kaff und versuche, den schon sehr virulenten Konsumgelüsten zu widerstehen – was mir angesichts eines „SPLDER MAN“-T-Shirts sehr schwer gemacht wird.
Je näher man Kathmandu kommt, desto dichter besiedelt ist die Gegend. Interessanterweise werden aber die Reisfelder nicht weniger; eigentlich eh praktisch: Reis statt Rasen. Und endlich, nach ca. sieben Militärcheckpoints und oben erwähnten 180 Kilometern stehen wir vor dem Hotel. Leider war ich psychisch schon so am Ende, dass mir, als Lukas unversehens eines seiner Hauberln auf meine Schulter fallen ließ, ein „Tua den Fettloppn do weg!“ entfuhr. Unverzeihlich.
Dann wird groß geduscht. Befriedigt blicke ich auf Dreck und Speck der vergangenen Wochen zurück, bevor er im Abfluss verschwindet. Bis auf die Souvenirjagd habe ich jetzt das Anstrengendste schon hinter mir (bitte!). Und welch ein schönes Gefühl, bestimmte Tätigkeiten wieder im Sitzen verrichten zu können! Dann überkommt mich großer Hunger (eh wie alle zwei Stunden, aber diesmal richtig), vielleicht will mich der Körper glauben machen, dass die drei Kilo Schmutz, die ich ihm heruntergeduscht habe, bereits zur körpereigenen Substanz geworden sind.
Nach dem Essen investiere ich ein kleines Vermögen in einen Heimanruf, im Zuge dessen mich Alois zum Antritt meines so lange vernachlässigten Reinigungsdienstes anhält, da die Wohnung schon so dreckig sei. Siedend heiß überfährt mich das schlechte Gewissen.
Schon kurz nach Nyalam beginnt die Vegetation sich zu verändern; der Übergang von tibetischem Hochland zu subtropischem Bergwald ist unheimlich gach. Seit ein paar Bambusstauden in der Nähe von Purang haben wir eine Woche lang kaum andere Vegetation als höchstens kniehohe Grasbüschel gesehen (Tibet ist ja in der Tat eine Hochwüste samt gelegentlicher Sanddünen), jetzt haut uns das satte Grün des Waldes schier das Aug ein. Zu dieser Reizüberflutung gesellt sich die Wahrnehmung der Steilheit, mit der es von der Straße zum Fluss hinunter geht (wir haben uns, offen gesagt, ziemlich ins Kleiderl gemacht). Die Abfahrt vom Pass auf 5200m bis zum tiefsten Punkt der Strecke auf 700m ist mit mehr als 120 Kilometer (schätzungsweise) die längste durchgehende der Welt, man bekommt hier also ein ziemlich gutes Gefühl dafür, wie gewaltig sich der Himalaya vom Subkontinent abhebt.
Zhangmu ist ein Ort, der entlang der sich den Berg hinabwindenden Serpentinen gebaut ist. Auf den Straßen wurlt es, alles muss hier durch, von der Sau (die hier übrigens in der Einser-Panier durch die Stadt getrieben wird) bis zum LKW. An der Bottleneck-Stelle staut es sich in drei Spuren über die gesamte Straßenbreite, man fragt sich, wie die von der nepalesischen Seite heraufkommenden Fahrzeuge da durchkommen sollen. Irgendwann wird uns geheißen, zu Fuß zur Grenzabfertigung zu gehen, die für sich betrachtet eine ziemliche Farce bzw. Machtdemonstration ist: Wir werden – wieder ordentlich der Reihenfolge in der Liste folgend – registriert und müssen unser Rucksackerl ins Röntgen legen, während unsere Jeeps einfach durchgewinkt werden (glücklicherweise habe ich meine in Nyalam zum Schnäppchenpreis erworbene Kalashnikow dort gelassen).
Die eigentliche Grenze kommt erst 8 Kilometer weiter unten an der Friendship-Bridge, dazwischen liegt das Niemandsland. Unsere Fahrer dürfen bis knapp vor die Brücke fahren, dann nehmen wir erleichtert Abschied von unserem heute die ganze Fahrt über bedrohlich knatterndem Gefährt. Wie sollen die Fahrer damit wieder bis nach Lhasa bzw. Purang kommen? Vor dem LKW entsteht im Handumdrehen eine große Schlange von unheimlich dünnen nepalesischen Gepäcksträgern, die einen Apfel und ein Ei damit verdienen, dicken Touristen das Zeug nach Kodari hinunterzutragen. Mich überkommt beim Gedanken an mein 20kg-Ungetüm ein unangenehm koloniales Gefühl. Aber selber tragen ist nicht besser, die Leute brauchen das Geld...
Unten in Kodari, auf der nepalesischen Seite, müssen wir ein Visum beantragen. Für die, die kein Foto haben, gibt es eine Lösung, die hart an der Grenze zur Schmierage steht: Einfach 5$ löhnen, dann interessiert keinen mehr, wie der Einreisewillige ausschaut. Bei wem meine fünf Dead Presidents wohl landen? Und wie lange müsste man hier für diesen Preis Gepäck tragen?
Während wir speisen (Gemüsecurry für umgerechnet 50 Cent), kommen schön langsam Bus und Gepäck zusammen, wobei die Betonung auf langsam liegt. Kodari ist vollgestopft mit (meist liebevoll mit gefakten Markenlogos verzierten) LKWs, da muss man durch, ebenso durch das Gackhaufenminenfeld am Straßenrand, denn niemand stellt den stundenlang wartenden Fahrern ein Klo auf.
Die Busfahrt zurück nach Kathmandu wirkt wie ein zu schnell abgespielter Film, man weiß nie, auf welcher Seite man hinausschauen soll, einmal versäumt man links einen Wasserfall, dann rechts eine beeindruckend lange Hängebrücke über den Fluss. Der Kontrast zu Tibet ist einfach enorm, man sieht hier innerhalb einer Stunde mehr Menschen als während der ganzen vergangenen Woche.
Irgendwann wird der zu schnelle Film leider doch etwas fad, immerhin braucht der Bus für die 180 Kilometer nach Kathmandu stolze 4½ Stunden. Wenig hilfreich für das Vorankommen ist ein Patschen - und hier möchte ich dann noch eine Frage in den Raum stellen: Warum sagt der Fahrer zuerst, dass er was essen muss, obwohl wir eigentlich einen Patschen haben – oder umgekehrt? Hat er leicht eine Freundin in Barabise? Macht nicht viel, ich schlendere mit den Gebrüdern Gahleitner (ich hab sie zuerst sehr verstimmt, als ich stattdessen scherzhaft „Gauleiter“ sagte...) durch das Kaff und versuche, den schon sehr virulenten Konsumgelüsten zu widerstehen – was mir angesichts eines „SPLDER MAN“-T-Shirts sehr schwer gemacht wird.
Je näher man Kathmandu kommt, desto dichter besiedelt ist die Gegend. Interessanterweise werden aber die Reisfelder nicht weniger; eigentlich eh praktisch: Reis statt Rasen. Und endlich, nach ca. sieben Militärcheckpoints und oben erwähnten 180 Kilometern stehen wir vor dem Hotel. Leider war ich psychisch schon so am Ende, dass mir, als Lukas unversehens eines seiner Hauberln auf meine Schulter fallen ließ, ein „Tua den Fettloppn do weg!“ entfuhr. Unverzeihlich.
Dann wird groß geduscht. Befriedigt blicke ich auf Dreck und Speck der vergangenen Wochen zurück, bevor er im Abfluss verschwindet. Bis auf die Souvenirjagd habe ich jetzt das Anstrengendste schon hinter mir (bitte!). Und welch ein schönes Gefühl, bestimmte Tätigkeiten wieder im Sitzen verrichten zu können! Dann überkommt mich großer Hunger (eh wie alle zwei Stunden, aber diesmal richtig), vielleicht will mich der Körper glauben machen, dass die drei Kilo Schmutz, die ich ihm heruntergeduscht habe, bereits zur körpereigenen Substanz geworden sind.
Nach dem Essen investiere ich ein kleines Vermögen in einen Heimanruf, im Zuge dessen mich Alois zum Antritt meines so lange vernachlässigten Reinigungsdienstes anhält, da die Wohnung schon so dreckig sei. Siedend heiß überfährt mich das schlechte Gewissen.
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