Sonntag, Mai 22, 2005

5. Oktober: Khora, dritter Tag

So grausig kalt die Nacht, so klar und wunderschön der Morgen. Alle schwärmen aus, um möglichst bald das Gesicht in die Sonne halten zu können und um die Zehen in den steifgefrorenen Schuhen wieder in Funktion zu bringen. Vorerst liegt noch überall Schnee, aber die Sonne wird ihm schon noch einheizen. Am heutigen Tag werden wir die Umrundung beenden und damit hoffentlich von allen Sünden befreit sein – laut Lukas auch von den kommenden (hätte er gern).


Die Teilnehmer an der Hansi-Hinterseer-Fanwanderung.
Foto: Max S.

Heute müssen wir nur mehr bergab ins Tal, da kann man auf dem Weg gut rasten und endlich einmal Buttertee probieren. Jeder, der schon einmal mit mir gespeist hat, wird erkannt haben, dass mein Appetit alles überwindet – aber bei Tsampa und Buttertee kann sogar ich „nein“ zum Nachschlag sagen, ebenso wie mittlerweile bei den jeden Tag zum Tee servierten und oft in perfider Weise in die Pancakes eingebackenen Ananaskekse (mittlerweile auch „Pine-in-the-ass-apple“-Keksi genannt).
Der Weg zurück war wirklich sehr, sehr schön, was zu einem Gutteil auch an der wohltätig glosenden Sonne lag. Wann wird’s wohl daheim das nächste Mal so warm sein? Das frage ich mich, meine Damen und Herren. Aber obwohl ich extra langsam dahinschlenderte, war der Weg irgendwann doch zu Ende. An diesem Ende warteten bärtige bzw. zerrupfte Gestalten, die mich freudestrahlend herzten und anschließend mittels Jeep wieder ans Ufer des Manasrovar-Sees verfrachteten – diesmal aber an das Nordost-Ende. Wir haben ja bis jetzt ein paar schöne Flecken mit unseren Zelten belagert, aber dieser sticht noch einmal heraus: Rechts grüßt der Kailash, links die Gurla Mandatha, in der Mitte geht postkartengerecht die Sonne unter. Hurra! Vor ein paar Stunden bin ich mit den Gahli Bros. und einigen Dosen Bier zum Ufer gewandert. Dort sind wir lange gesessen und haben allerlei Albernheiten besprochen; wahrscheinlich braucht man das als Ausgleich zur erdrückend schönen Kulisse. Beim Abendessen erzählt Lukas dann allen, ich hätte willentlich einen Ziegenbock zu mir „attrahiert“ um ihn zu molestieren – daraus wurde hoffentlich allen seine niedere Gesinnung ersichtlich. Oder sammelt er gar wieder Sünden, um eine Wiederholung der Khora notwendig zu machen?
Die Gegend wird mir auf jeden Fall fehlen – trotz der untrennbar dazugehörenden Kälte. Indische Pilger brauchen übrigens nicht im Zelt schlafen, weil es ihnen zu kalt ist – aber dass ich mit zwei Wärmflaschen (übrigens: hören Resi & Katzi auf „zwei Wärmflaschen“...) im münkelnden Schlafsack hausen muss, das interessiert niemanden. Außer Dich, liebes Tagebuch.

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