Mittwoch, Juni 08, 2005

Als ich einmal fast König von Nepal geworden wäre

Dass mich die alljährliche Fanreise mit Hansi Hinterseer letztes Jahr einmal ein bisschen weiter weg geführt hat, weiß die informierte Weltöffentlichkeit seit Oktober letzten Jahres (falls nicht: Überschrift anklicken und sofort nachlesen). Was sie allerdings nicht weiß: Ich wäre fast und udaungs Königin von Nepal geworden! Wie es dazu kam? So:
Der Pfauenthron wird seit 2002 vom äußerst missratenen König Gyanendra besetzt, dem nachgesagt wird, er habe 2002 seine halbe Verwandtschaft samt amtierenden Eltern (s. u.) entleiben lassen. Er stellt also nicht eben das dar, was das Volk einen Sympathieträger nennt.

Das 2002 verwichene Herrscherpaar. Foto: Standard


Im Oktober nun reiste ich also mit Hansi Hinterseer und anderen Fans u.a. nach Kathmandu. Dort begutachteten wir ein Museum. Ich war vom vorhergehenden Umrunden eines heiligen Berges rechtschaffen müde, konnte also nicht besonders lange stehen. Ich schaute mich um, und als die Luft rein war, setzte ich mich ganz geschwind ein Sekündlein hin, "to put the weight off the feet", wie der Engländer so schön sagt. Dieses vom Fuß auf den Hintern bzw. auf eine mir unverdächtig erscheinende Sitzfläche verteilte Gewicht löste aber sofort einen schrillen Alarm aus, der die Museumsaufseher dermaßen schnell an den Ort des Geschehens brachte, dass ich in meiner schwerfälligen Art noch immer dasaß, als sie einen mords Bahöö vom Stapel ließen. Ich war ein bisschen erschrocken, das kann man sich wohl vorstellen.
Die Wachen schrien herum, ich fürchtete mich also. Aber nur so lange, bis ich mich entsann, dass ich ja in den vorangegangenen zwei Wochen leidlich Nepali gelernt hatte. Sogleich verstand ich, worum es ging: Ich hatte mich versehens auf den hier zwischengelagerten Pfauenthron gesetzt! Da ich nun schon so gemütlich sitze, so die aufgeregten Nepalesen, könne man mich doch gleich krönen, dann könne der grauenhafte Gyanendra brausen gehen. Schon rannten einige von dannen und kamen bald mit den restlichen Herrschaftsinsignien (Krone, Schwert, Bobbyhelm und Schnurrbart) zurück.
Ich fand schon Gefallen an der Vorstellung, das Hindukönigreich am Fuße des Himalaya zu regieren; doch da dachte ich an euch, liebe Freunde, und mir wurde das Herz eng. Ich blies das Ganze also ab.


Probesitzen auf dem Pfauenthron. Foto: Coala

Dienstag, Juni 07, 2005

Zum Geleit!

Werte Leserschaft!

Das nun von Ihnen durchstudierte Dokument gibt Zeugnis von den Abenteuern und Erlebnissen von 14 Menschen, die es kurzfristig in der Heimat nicht mehr aushielten. Ich habe dieses Schriftsück mit Sorgfalt und Liebe gestaltet. Es sind viele Bilder drin, und alle Buchstaben des Alphabets.

Als ich Teile daraus im November 2004 zum Vortrag brachte, schien alles in Butter. Teilweise waren die Zuhörer sogar aus der Bundeshauptstadt unter großen Gefahren angereist (s. Bild.


Bezahlte die Anreise zur Lesung mit einer Rippenprellung: Juitschi. Foto: MNK


Totaaal begeisterte Zuhörer. Foto: MNK


Alle sind ganz gebannt! Foto: MNK

Ich wurde aber hoffärtig und verlor mich in Träumereien, aus denen mich die Antwort eines gewissen Herrn Unger auf mein Ansinnen, mein epochales Werk doch in den oberösterreichischen Nachrichten zu publizieren, brutal herausriss: Mein Reisebericht sei zu schnoddrig, schrieb er! Ich weinte sehr. "Ich bin doch nicht schnoddrig! Ich bin eine seriöse Akademikerin!", so dachte ich. Dann aber fasste ich wieder Mut und beschloss, die Welt auf meine Art zu beglücken. Das Ergebnis ist weiter unten zu lesen.
Als reaktion auf mein Schaffen wurde in Wien-Ottakring ein Rothaubenlkoster gegründet. Das ist doch ein viel schönerer Erfolg als ein ödes Reisefeuilleton in den popeligen OÖN!


Zwei Rothaubennonnen im Himalaya von Ottakring.
Foto: Coala
In diesem Sinne! Lesen Sie sich die Äuglein wund! Und seien sie gespannt, was ich alles mit den G.-Brothers (s. Bild) erlebt habe!


Schauen gar nicht so aus, wie sie sind: Die G-Brothers mit Opa.
Foto: MNK

Samstag, Juni 04, 2005

22. September: Kathmandu

Nach einem z.T. eher ernüchterndem Besuch in zwei Krankenhäusern habe ich beschlossen, hier nicht siech zu werden, und wenn schon, dann am Herzen, da gäb´s zumindest einen gschickten Chirurgen... Ich komme mir schon so fehl am Platz vor! Wir wenigen Nichtmediziner dürfen uns nicht zu erkennen geben, wahrscheinlich genieren sich die anderen für uns – Karl und Susi haben zumindest anständige Berufe gelernt und ausgeübt und das Ihre fürs Gemeinwohl geleistet, aber Philosophie?! oder gar Politikwissenschaften?! Ich seh’ es eh ein! Deswegen versuche ich, während der Besichtigung (Besiechtigung – hahahahaaka!) in die Rolle einer Dermatologin zu schlüpfen, die ihr Fach aus Verzweiflung über die eigenen Wimmerl am Hirn ergriffen hat.
Am Nachmittag wurde das Programm touristischer im klassischen Sinne. Die Gegend rund um die Stupa von Bodnath gilt als „Klein Tibet“, und in der Tat wird sie von allerlei malerischem Volk umrundet, im Einzelfall auch in Körperlängen, wie man es vom „Universum“ kennt und natürlich erwartet! Die wehenden Gebetsfahnen rund um die safrangelbe Stupa ergeben vor dem Hintergrund der Endmonsunwolkenkaskaden und der grünen Hügel einen Anblick, für den man sich gerne mal ein wenig länger ins Flugzeug setzt.



Bodnath.
Foto: MNK


Tempel neben der Stupa.
Foto: MNK


Fotogener Klosternachwuchs.
Foto: MNK


Die Linke hat einen Vogel.
Foto: MNK

Fast noch beeindruckender war Pashupatinath, das Heiligtum am Fluß, wo die Hindus ihre Toten verbrennen. Die Atmosphäre lässt sich am ehesten noch mit „morbid“ beschreiben, aber das trifft es nicht ganz. Durch den von den Scheiterhaufen aufsteigenden Rauch, die eindrucksvollen Tempelbauten und die Gesänge, die zu uns herüber schweben, bekommt die Szenerie etwas Unwirkliches (das ist eigentlich eine ziemlich blöde Phrase, wirklich war es ja, aber eben kein Teil der bisherigen Wirklichkeit – hui, jetzt wird’s philosophisch!).


Monsunwolken.
Foto: MNK


Pashupatinath.
Foto: MNK


Eine Totenverbrennung.
Foto: MNK


Totenverbrennung in Pashupatinath.
Foto: MNK

Die eigentlichen Herren hier sind die Affen, die schon mal ein Geldtaschl fladern und dann ihre Macht auskosten.


Im Vordergrund: Spendenbox mit Affen. Im Hintergrund: Stierhoden.
Foto: MNK


Ein Pavianarsch.
Foto: MNK


Noch einer.
Foto: MNK

Sehr charmant im Gegensatz dazu finde ich die Tatsache, dass uns die Tigerbalsamtandler hier sofort korrekt mit „Hawedehre!“ oder „Ick liebe dick!“ ködern (ich fühlte mich da besonders angesprochen). Auch fühle ich mich geschmeichelt, weil man hier meine Ohrringe noch beachtet, das gibt’s zu Hause wegen der Piercingwelle gar nicht mehr.[1]
[1] Im Nachhinein musste ich erfahren, dass das Interesse eher anderer Natur war. Zum einen haben das hierzulande die alten Frauen so, zum anderen sticht man den Mädchen erst ganz spät die Ohren, damit sie ja als Buam wiedergeboren werden – was heißt das jetzt für mich? Dass meine Eltern unbedingt wollen, dass ich im nächsten Leben einmal wirklich als Frau auf die Welt komme, mir nicht mehr so viele Turnschuach kaufe und die Haare lang lasse?
Ich lerne weiterhin jeden Tag ein paar Gsetzln Nepali, die ich dann sogleich am nächstbesten Opfer (heute war es der arme Krishna) anwende – nur um dann schnell davonzurennen, damit die anderen nicht merken, dass ich eigentlich nur seeeehr Basales kann. Vor allem Antworten sind problematisch, weil i vastehs jo ned! Ich sollte allerdings doch einmal mit dem Nachfragen anfangen, denn heute habe ich einer Kellnerin udaungs mitgeteilt, dass das Essen fett war – in der Überzeugung, dass „mothi“ „gut“ heißt; meine germanophonen Begleiter wiederum haben den Eindruck gewonnen, ich würde aus Verzweiflung über die Trennung von den Eltern schon „Mutti!“ plärren. Alle haben mich ausgelacht, ich habe einen Schaden fürs Leben erlitten.
Morgen haben wir unsere zwei Anschlussflüge nach Simikot, von wo aus wir dann losmarschieren. Hoffentlich regnet es nicht in Nepalganj (wo ich fest an Vronuela denken muss!): Uns ist nämlich Suboptimales über diesen Ort zugetragen worden, ich glaube sogar das Wort „dreckiges Kaff“ vernommen zu haben. Da der Flieger auf Sicht geflogen werden muss, könnten wir hängenbleiben. Nur nicht dran denken. Wenn es aber schön ist, sehen wir morgen schon den Himalaya.

Krishna.
Foto: MNK

Freitag, Juni 03, 2005

23. September: Kathmandu - Nepalganj - Simikot

Viel zu früh hat heute schon der Tag begonnen, außerdem batzt mein rechtes Aug; aber auch die anderen schauen um 6 Uhr nicht anders, also fad aus der Wäsche.
Am Flughafen wacht dann zumindest Max auf, da in seinem Gepäck (und an dieser Stelle werden Hausfrauen in spitze Entsetzensschreie ausbrechen) eine Flasche Rotwein (aaaaah!) in ihre Einzelteile aufgelöst wurde – es wird uns während der ganzen Wanderung ein Hauch Bordeaux umwehen. Und jeder hat wohl in seinem/ihrem tiefsten, unmoralischen Inneren gedacht „Gott sei Dank war es nicht meine Tasche!“. Also ich schäme mich an dieser Stelle ganz offiziell. Aber abgesehen davon: Warum Wein? Und warum sogar Bordeaux? Ich persönlich habe mich mit grauslichen Kräutertees und pseudoisotonischen Brausen eingedeckt – was habe ich falsch verstanden? Und hätte ich das kleine Schwarze mitnehmen sollen?
Im Flugzeug war es dann sehr exklusiv und gemütlich, vielleicht ein bisschen zu gemütlich... weil groß war’s ja nicht. Und warum bitte heißt die Fluglinie „Buddha Air“? „Fliegen Sie mit uns direkt ins Nirvana!“


Buddha Air - Fliegen Sie mit uns ins Nirvana!
Foto: MNK

Alle lachen mich aus, als ich gestehe, dass mir die Situation nicht geheuer ist, und bemühen sich, mich mit dem Bericht von möglichst waghalsigen Kleinflugzeugerlebnissen zur Inkontinenz zu bewegen. Aber ich kann es gleich vorweg nehmen: Alles ist trocken geblieben.
Der Flieger muss direkt Kathmandu überqueren, ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn da was passiert. Nach wenigen Flugminuten tauchen am Horizont die ersten Berge auf, darunter vier 8000er, das lob ich mir.



Irgend so ein 8000er...
Foto: MNK

Nepalganj selbst liegt aber dann wieder auf Delhi-Höhe, das Klima ist dementsprechend angenehm. Der Ort präsentiert sich auf das Wunderbarste durch seine Flughafenklos, wo man das Klo-Motto „Don´t touch anything!“ mit auf die Reise bekommt. Als Entschädigung kümmert sich das Geburtstagskind von Nepalganj rührend und gschaftig um uns. An diesem Morgen hat er wohl gachgelbe Schlapfen und einen bezaubernden neuen Haarschnitt bekommen, weil er uns diese gar so stolz präsentiert. Er wachelt uns ins Gate, dann hält er uns auf, rennt hin und her und macht eigentlich gar nichts – aber er hat Geburtstag und ist deswegen sehr wichtig. Und doch: Trotz seiner rührigen Art kann er nicht verhindern, dass der Pilot befindet, wir hätten Übergewicht. Der freche Mensch geht dabei zum Beispiel davon aus, dass wir Damen je 70kg wögen! Zwar fehlt mir am wenigsten auf die 70, doch rege ich mich am lautesten auf. Schnell leert noch jeder seine Trinkflaschen aus und isst die schweren Äpfel, und auch sonst werden allerlei Gewichtsreduktionsstrategien ersonnen, aber alles für die Würscht, der Pilot bockt. Also bleiben sechs Gepäckstrümmer zurück, die beim nächsten Flug noch am gleichen Tag mitkommen sollen – sagt er.
Das Flugzeug ist noch kleiner, aber ich bin schon gaaaaanz cool. Leider nur bis zum Einsetzen des Sinkfluges, der augenscheinlich mitten in einen Berghang hinein erfolgt. Eine Landebahn ist nicht in Sicht, und dabei sähe man eh durchs Pilotenfenster. Erst als mit einem Rumpler das Flugzeug aufsetzt, nimmt man eine solche wahr. Zu meiner Überraschung ist auch diesmal die Hose trocken geblieben.


Landebahn in Simikot.
Foto: MNK

Simikot ist die Bezirkshauptstadt von Humla und hat eine überraschend hohe Einwohnerzahl. Wo verstecken sich die? Für die Kinder sind wir ein Faszinosum, blondes Haar kommt wie in jeder Kultur recht gut an, aber auch ich kann wieder mit meinen Ohren punkten. Bei näherer Betrachtung sind die Kinder nicht nur niedlich und dreckig, sondern auch ein bisschen lausig, sodass ich auf weitere Ohrenpräsentationen verzichte. Sie begleiten uns auf Schritt und Tritt, und bald zeigt sich, dass dies nicht aus reiner Zuneigung geschieht, vielmehr begehren sie mit Kulis und Zuckerl beschenkt zu werden. Dabei stimmen sie einen „Hallohallohallohallo“-Singsang an, der sich schon nach wenigen Augenblicken ins Hirn fräst.


Sie haben nichts gegen Touristen.
Foto: MNK

Während wir auf den Flieger warten, flaniere ich mit den Gahli-Brothers in den Ort, flankiert von den Lausmenscherln, die kudernd meine Ohrringe zählen und dabei immer wieder von vorne anfangen. Unter einem großen, alten Baum bekommt Florian einen feisten Zwazl in den Arm gedrückt, ich muss ihn so fotografieren, als wär’ er der Hl. Don Bosco. Dann beginnen Brutpflegehormone in ihm aufzusteigen, er fantasiert von einem Leben als Gemeindearzt von Simikot... – als er den Kleinen dann doch noch zurückgeben will, verweigern die Frauen rund um uns lachend und ich überlege schon, Muttern ein ganz besonderes Souvenir mitzunehmen.
Wie auch immer, der zweite Flieger wird an diesem Tag nicht mehr kommen – offiziell weil das Wetter zwischen Nepalganj und Simikot schlecht sein soll (es ist strahlend schön), inoffiziell weil sich heute keine gut zahlenden Touris mehr gefunden haben. Und natürlich ist mein Sack nicht dabei! Eh klar. Zu sechst müssen wir in ein Guesthouse, die anderen freuen sich schon auf die erste Nacht im Schlafsack. Das Guesthouse thront ein wenig über dem Ort und entschädigt das Nichtvorhandensein meines Zahnbiaschtls durch malerische Aussicht, dicke Decken und – tätääää! – eine heiße Dusche! Das reiben wir (naja, ich zumindest) den anderen auch mit Genuss unter die Nase.


Geht doch, oder?
Foto: MNK


Auch nicht schiach.
Foto: MNK

Das Abendessen, das erste, das uns vom Begleitteam gefeatured wird, ist üppig und sicher nur wegen mir vollständig vegetarisch. Wir speisen fein in einem Zelt, dabei werden in bester Skikurshüttenabendmanier gar lustige Schwänke zum Besten gegeben. Auffällig wurde in dieser Hinsicht Andi W.: Von den Gebrüdern G. hatte ich schon lange vor Reiseantritt gar so manchen Schabernack erwartet – ganz zu Recht. Im Gegensatz zu ihnen verrät Andi aber mit keiner verzogenen Miene seine Scherzintention: Als uns heute im Speisezelt eine Zeltbahn die Sicht aufeinander raubte, nahm er meine Hand: „Hoit des amoi gschwind!“ Erst ein, zwei Stunden später erkannte ich, dass er mich zum Besten gehalten hatte, und ließ beschämt die Zeltstange los. Und dennoch: Das ist gelebte Menschlichkeit, die schließlich in Martinas Angebot, mir ihre Zahnbürste zu leihen, kulminiert. Wenn das Professor Hübelt erführe!


In Simikot zündet man statt der Straßenlampen einfach den Himmel an.
Foto: MNK

Donnerstag, Juni 02, 2005

24. September: Simikot - Dakhlapuri

Tag der Highligen Veronika:

In der Nacht träumte ich vom mit mir das Zimmer teilenden Max, er wäre mein Turnlehrer und als solcher derart unzufrieden mit meinen Leistungen, dass ich meinen Eltern eine Nachricht zu überbringen hatte, in der er ihnen mitteilt, dass ich faul, feist und für den Laufsport völlig ungeeignet wäre. Das fängt ja gut an!
Nach dem Frühstück hört man Motorenlärm – und nach quälenden 30 Minuten kommt als allerletzter mein patscherter Packsack auf dem Rücken eines armen Trägers daher. Und dann kann’s endlich losgehen.


Aufbruch von Simikot nach dem Gepäckskrimi. Foto: MNK


Foto: Gabi

Die für heute geplante Tagestour sollte eigentlich bis Kermi (ca. 8 Stunden) führen, was aber dadurch verhindert wurde, dass unser Gepäcktross gleich auf dem ersten Pass wegen eines angeblichen Schusswechsels (tatsächlich war es ein Schusstraining der Armee) mit den Maos festgehalten wurde und erst sehr spät nachkommen konnte, wir hätten also Kermi bei Tageslicht nicht mehr erreicht. Irgendwas muss es scheinbar immer geben, sonst wär’ uns ja fad, und außerdem könnte sich Gowa, unser Alles-Checker, sonst nicht so charmant für etwas entschuldigen, wofür er gar nichts kann.


Schaut gemütlicher aus als es ist. Foto: MNK


Foto: MNK


Gaaanz viel Landschaft. Foto: MNK

Wie schön, dass wir heute, am Tag der Kräuterhighligen von Bingen, die ersten Hanfstauden sichten konnten! In der Tat wachsen diese hier wie Unkraut – das hätte Hillinger gut gefallen. Tsering, der heute unser Guide war, führte uns Unwissende auch in dieser Angelegenheit: Frisches Kraut (nur die weiblichen Pflanzen taugen was) gehört gewutzelt, aus den kleinen braunen Wutzeln in der Hand wird dann Hasch gemacht – „But I know nothing about it!“. Sehr schön auch die Reaktionen auf das Zeug: Lukas wird durch das Wutzeln high und Florian allergisch und rotäugig (eine Kifferkarriere ist damit wohl nicht ins – hahaaa – Auge zu fassen).


Überall lauern die Drogendealer! Foto: MNK

An unserem heutigen Lagerplatz in Dakhlapuri(?) hat man laut Max das Königreich verlassen und die maoistische Hochburg betreten; in der Tat tauchen nach den üblichen schokoladefordernden Gschrappen auch schon die ersten revolutionären Schnorrer auf, allerdings noch nicht die Geldeintreiber, sondern diejenigen, die hoffen, dass wir eventuell eine Goretexjoppe zu viel hätten, Keksiforderungen eine Ebene höher also. Dafür tun sie so, als ob sie beim Zeltaufstellen helfen würden und helfen dann hauptsächlich beim Suppenessen.
Wir befinden uns heute auf etwa 2735m, ziemlich genau auf der Grenze zwischen indo-arischen (bei „arisch“ sträubt sich der Tippfinger!) und tibetischen Völkern. Man kann nicht direkt sagen, dass die Leute hier Buddhisten sind, animistisch-schamanische Kulte überwiegen. Gerne hätten wir so einen Schamanen besucht, aber leider war keiner zu Hause.


Dakhlapuri. Foto: MNK

Draußen ist es jetzt sternenklar, der Mond ist am Zunehmen und leuchtet alles aufs Kitschigste aus. Dafür ist es recht frisch, laut Max haben wir aber trotzdem heute noch die wärmste Nacht vor uns. Darum sitzen wir auch im Partyzelt und führen Schmäh; glücklicherweise haben die Gahli Brothers „Hundstage“ gesehen und können einige der beliebtesten Supermärkte aufzählen. Am Ende möchte ich dann zu allen sagen, dass ich mit keiner anderen Gruppe in den letzten zwei Jahren so viele Gefühle gehabt habe wie mit dieser – aa wauns de foischn woarn.

Mittwoch, Juni 01, 2005

25. September: Dakhlapuri - Kermi

Weil Susanne heute Geburtstag hat, gratulieren wir artig mit Abbusseln und dünnem, aber wohlmeinendem Gesang. Dabei werden wir von unseren nepalesischen Begleitern mit ethnologischem Interesse beäugt.
Auch heute ist – ja, man soll es sagen dürfen! – das Wetter traumhaft, meine Wadln erglühen vor Freude. Die Strecke führt nun stetig, aber sanft bergauf, angeblich vorbei an Marijuanafeldern, aber gesehen hab ich nichts davon, ich würd’s ja auch nicht erkennen. Je näher man einem Dorf kommt, desto mehr abgerupfte Stauden sind zu sehen; unsere Tragtierbetreuer frühstücken übrigens jeden Morgen Rauchwaren.
Der Weg durch die Region Humla ist eine der letzten Karawanenrouten, die immer noch in Betrieb sind. Schon in aller Früh werden Hundertschaften an Schafen und Ziegen in Richtung Tiefland getrieben, die meisten tragen kleine Salzsackerl um den Leib geschnürt. Manchmal steckt da aber statt Salz ein kleines Goaßerl oder Lamperl drin, das noch nicht marschieren kann. Das schwere Gepäck wird von Zoks getragen, einer Mischung aus Rind und Yak, die sich scheins mit den Hirtenhunden nicht gut vertragen, denn wenn grade der Hirte nicht hinschaut, schleudern sie diese mittels ihrer Hörner in die Stauden.


Humla Trucks. Foto: MNK


Foto: MNK


Foto: MNK


Verkehrsüberlastung auf der A1. Foto: MNK


Foto: MNK


Foto: MNK

Wir teilen uns den Weg nach Kermi, unserer Jausenstation, mit einem Schippel buntgewandeter, stets fleißig ratschender und kudernder Damen, die zuerst gschaftig losrennen und unsere Marschleistung in den Schatten stellen. Ist aber ein solcher in Sicht, rasten sie wieder. Zusammen mit den uns ständig entgegenströmenden Salztieren („Humla-Trucks“) ergibt das zuweilen ein ordentliches Verkehrschaos. In Kermi kommen die Damen ürigens in den zweifelhaften Genuss einer Mao-Schulung, ich habe aber den Eindruck, dass sie nicht ganz bei der Sache sind und lieber uns Damen bei der verzweifelten Suche nach einem dezenten Ludlplatz zuschauen.


Foto: MNK

Ab Kermi wird die Gegend waldiger, und nach etwa einer Stunde taucht der Saipal auf (7050m) – angeblich, denn welcher genau das ist, wird auf der ganzen Reise nie ganz klar werden. Der Wald ist bezaubernd, von Zeit zu Zeit erblickt man darin ein Rotkäppchen namens Karl, das von Fels zu Fels hüpft, um Dias zu machen. Eine Viertelstunde vor Erreichen des heutigen Etappenzieles bleibe ich mit Gabi, Christa und Gowa auf einem Pass in der Sonne sitzen und verspeise Danis handverlesene Apfelspeitl. Was kann man zu solchen Momenten noch sagen?
Gowa erzählte mir, dass er vor kurzem mit Österreichern unterwegs war, einer davon habe gesagt, er sei etwas Wichtiges. Ich fing an, ihm zu erklären, dass Österreich ca. 8 Millionen seeehr wichtiger Menschen beherberge, doch dann musste ich zugeben, den angeblich so wichtigen Österreicher tatsächlich zu kennen, es war der Wiener Verkehrsstadtrat (sollten Sie das hier lesen: Schönen Gruß von Gowa!).


Foto: MNK


Foto: MNK

Gowa hat mir vorgeschlagen, nach dem Essen gschwind auf den über dem Lagerplatz thronenden Berg hinaufzusteigen; ich bin noch am Überlegen... vielleicht sollte ich doch, denn vor 10 Minuten haben mich die unsäglichen G.-Brothers („Papa, jetzt wiss´n ma, warum ma ned mid de Meindl-Menscha spün ham derfn! De san wirklich a weng komisch!“) mit dem Ansinnen, in mein Zelt zu brunzeln, molestiert. Erst lautes Bellen und schrille Hilfeschreie konnten sie dazu bewegen, vom Urinieren abzulassen. Allerdings wollen sie wiederkommen, denn in ihrem Zelt pferdelt es angeblich. Was Wunder, wenn wir auf einer Tragtiertoilette zelten. Ansonsten haben wir es sehr malerisch hier mitten im Wald neben dem Fluss. Wenn nur die PenBiskuitHalloHalloHalloSchnorrer einmal ausblieben! Kaum öffnet man irgendeinen Reißverschluss, sei es am Zelt, sei es am Rucksack, stürmen sie erwartungsfroh herbei. Das ist eine komplizierte Situation, weil mir natürlich bewusst ist, dass die Kinder hier wirklich nicht wahnsinnig viel zu essen haben, und es mir nicht leicht fällt, vor ihren Augen Unmengen an gutem Essen zu verschlingen. Aber andererseits ist das ubiquitäre „hallohallopen“ scheinbar wirklich die einzige Form, wie sie uns gstopften Westlern begegnen können/wollen. Gestern sahen wir auf dem Dach eines Hauses einen Kleinen stehen, der aus etwa 20m Entfernung die Hand aufhielt und uns dann nach Frustration seines Ansinnens den nackichen Hintern entgegenstreckte. Einen Ghertsi hatte der nicht. Also aufmerken: Armut macht lästig! Deswegen bitte sehr viel spenden, damit man die Kinder wieder unumschränkt niedlich finden kann.
Wenn die anderen nicht bald Fleisch zu essen bekommen, werden sie bald überzeugt sein, dies geschähe nur wegen mir, und werden am Ende mich schlachten. Gestern ist übrigens eines unserer Tragpferde zu Tode gestürzt. Lukas nahm dies zum Anlass, in meinem Namen eine Trauerminute einzufordern und eine Diskussion zu der Frage, ob Pferde in den Pferdehimmel kommen, anzuregen. Dem wurde mit dem Vorschlag begegnet, ich könne ja jetzt das Pferderl essen, da es nicht von böser Menschenhand umgekommen sei. Ich fühlte mich in meiner Funktion als Edith Klinger der Gruppe nicht ernst genommen.