Sonntag, September 26, 2004

26. September: Kermi -

Weil wir jetzt endlich von den Maos ausgenommen werden, habe ich heute schon früher Zeit für die Reisebuchhaltung. Leider ist aber noch nicht viel passiert – außer vielleicht, dass ich um 5 Uhr udaungs Besuch von zwei unserer Nepalesen bekommen habe – ich war richtig erleichtert, dass es nicht die unverschämten Gahli Bros. waren, deren Androhung, vor/in mein Zelt zu machen, wie ein Damoklesschwert über meinen Nächten schwebt. Dazu kommt noch die ewige Sonnenschmierschnorrerei! Kaum mache ich den Rucksack auf, kommen sie daher und plärren „HalloHalloHallo!“.
Noch ärger sind nur die Maos, die ohne einen Genierer 100$ pro Nase einstreichen. Und das ohne Waffe in der Hand! Wenn sie wenigstens ein bisschen Ehrfurcht gebietend gewesen wären. Ich möchte auch gar nicht wissen, wie viele Monatslöhne das hier wären. Aber eines muss man sagen: brilliante Geschäftsidee! Ob ich das im Augarten auch so machen könnte? „Sorry, you need a permit for the Kinderplanschbecken today! Only 100 €, and you can use it for the Volksgarten as well!“
Ein wenig anders läuft das im Kyung ... Dzong-Kloster (liebe Mitreisende! Schreibt mir doch, wie das geheißen hat!), dort wird man zuerst freundlich empfangen, herumgeführt und mit Tee abgefüllt, bevor man liebevoll um „Donations“ gebeten wird, die auch wirklich „from internal“ kommen sollen. Das hat schon eher Stil, zumal man sich den Betrag auch aussuchen kann.



Mani-Walls.
Foto: MNK


Jumbogebetsmühle.
Foto: MNK


Jugend, die sicher nicht auf den Dalai Lama schimpft.
Foto: MNK


Foto: MNK


Foto: MNK


Josef und die Mönche mit Email-Anschluss.
Foto: MNK

Foto: MNK

Ich werde gerade von vier, fünf Kindern bedrängt; ich fliehe, als sie nach meinen Ohren greifen, bevor ich ihnen einmal an die Ohren greife. Die liebe Christa hat eine echte Engelsgeduld, sie versucht ihnen auf Deutsch Benimm beizubringen – und oft folgen die Kleinen wirklich.
Lukas hat eigentlich nur Hauben mitgenommen, alles andere wechselt er derweil noch nicht; überraschenderweise münkelt er aber noch nicht – vielleicht strömt Flo-Ji mit seinen frischgewaschenen Haaren so viel Duft aus, dass minderwertigere Düfte neutralisiert werden.
Wir sind heute wieder dem Fluss gefolgt, vorbei an Mani-Walls (gravierte Votiv-Steine, s. Bild oben) und durch kleine Dörfer. Heute schlafen wir etwa auf 3070m auf einem abgerupften Marijuanafeld, hoffentlich gibt’s da keine Nachwirkungen mehr. Neben mein Zelt hat mindestens ein Zok hingegackt, dafür wird die Stimmung draußen immer wildromantischer: Rings um uns sitzen Leute am Lagerfeuer und neben uns schlafen die Schafe, die man von Zeit zu Zeit mit einem herzhaften „Tscho!“ davon abhalten muss, sich in unsere Zelte zu legen. Der Vollmond scheint, und ab und zu wiehert ein Pferd. Wenn nur die Leute nicht immer mit einem deftigen „Chhhhhhrrrkk“ den Schleim hochziehen und ausspucken würden! Das zerstört doch alles bitte, aus is´s na!
Wir haben jetzt angefangen, nach dem Abendessen zu schnapseln, was zwar für die Akklimatisation uuuurschlecht sein soll, dafür aber der ohnehin immer noch fröhlichen Stimmung zuträglich ist. Ich habe Josef, der nie was trinkt, genötigt, unser schlechtes Verhalten zu übernehmen, hoffentlich hat das keine schlechten Folgen...

Dienstag, September 21, 2004

21. September: Kathmandu

KTM kann was und macht ein Wetter – und um eines gleich vorweg zu nehmen: Alles ist bülibülibüli! Ein Tshoppingparadies für das Studentenfaulpack! So bekam ich etwa ein (leider an sich nicht benötigtes) kanarifarbenes Fleecejackerl um 280 Rupien (das sind in Euro, wenn Sie so wollen, etwa 3,10) nachgeworfen. Und auch den bei meiner Zielgruppe so begehrten Ethnoramsch gibt´s um fast kein Geld. Gratis dazu das malerische, um nicht zu sagen „brennschöne!“ Ambiente. Aber: Gekauft wird erst am letzten Tag (und da nur das, was es daheim nicht umasunst gibt). Bleibt also Sightseeing, und das kann sich – Vorsicht Wortspiel – sehen lassen (hahahahaaaka).


Ficus religiosus am Durbar Square. Foto: MNK

Wenn man die sich als Führer andienenden und/oder Glumpert verscherbelnden Männer freundlich ignoriert, entwickelt der Durbar Square (Touri-Zone Nr.1) schon ein ganz eigenes Flair, nicht nur weil er lebende (!) Göttinnen zu bieten hat. Da sind zum Beispiel die ziemlich illuminiert grinsenden Sadhus (von frechen Zungen mit „Ganzjahresfaschingsprinzen“ tituliert), die freundlich lockend fotografiert werden wollen und dann freundlich lockend aufs Geldtascherl zeigen. Ich verweigere, durch Maxens Warnung gewitzigt, ebenso freundlich.


Ein Sadhu mit Maurerklavier. Foto: MNK

Gratis kann man dafür Kinder fotografieren: Ich schleime mich hier bei den Muttis ein, indem ich ihren Nachwuchs abfotografiere und ihnen – den Segnungen der Digitalfotografie sei Dank – das Büdl dann zeige. Gäbe es hierzulande einen Professor Rainald Hübl, würden sie flugs zu ihm laufen, auf dass er von dieser meiner rührenden Geste der Menschlichkeit berichte.


Foto: MNK

Wie erwartet sind auch hier die Kühe ein pittoreskes Element des Straßenlebens; sie streunen nicht nur herum wie Hunde, sie sehen auch ein bisschen so aus.


Sie weiß um ihre Heiligkeit. Foto: MNK


Noch mal Kuh. Foto: MNK

Punkteabzug gibt´s für die Straßentandler, die eine Tendenz zur Verfolgung aufweisen. Schön beschrieben hat dies Herr Karl A. mit „Lästigs Gfickarat!“ (er hat damit zwar irgendwelche Vögel gemeint, aber ich borg mir das jetzt einmal aus, auch wenn die Gutmenschin in mir sagt „Gfickarat sagt man nicht zu Menschen, schon gar nicht, wenn sie aus der Dritten Welt kommen!“). So! Wir sind heute Abend zum Schmaus ins Ökohimal-Büro eingeladen, hoffentlich ist dort für zünftige Stimmung gesorgt! Wenn nicht, erzähle ich halt den suuuper Witz mit dem Blinden und dem Fischladen, der zieht immer...

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In der Tat war die Bewirtung pipifein, wir durften auch entgegen hiesigen Gepflogenheiten (man kriegt quasi zweimal was, muss aber nachher gleich heim) nach dem Essen noch ein wenig bleiben und Bier gluckern – und glücklicherweise konnte ich den Witz für mich behalten. Gesprächsweise erfuhren wir, dass gerade 1500 Lehrer von den Maos entführt worden sind, auch Ärzte sollen sehr gefragt sein... ich beginne mich auf eine sehr einsame Heimreise vorzubereiten.
In meinem Dusel erschrecke ich heftig, als im Hotelzimmer offensichtlich wer drinnen war, bis ich draufkomme, dass der Zimmerservice hier zweimal kommt, um abends Blumerl auf den Polster zu legen und beim Zurückschlagen der Decke behilflich zu sein – ich bin sehr dankbar, denn da ich schon seit mehreren Tagen nicht mehr klettern war, hat die Übungskarenz ihr Verwüstungswerk schon begonnen.

Montag, September 20, 2004

20. September: Delhi - Kathmandu

Ich bin mir nicht sicher, ob 10 Stunden für Delhi zu viel oder zu wenig waren – oder mehr? Ich weiß es nicht. Abenteuerlich und malerisch war es gewiss, und das für einige von uns von allem Anfang an...
Kurz vor der Landung wird man im Flugzeug auf wahrlich effektive Weise von bösen europäischen Bazillen und Konsorten befreit, indem zwei Stewardessen mit Spraydosen bewaffnet durch die Reihen schreiten und uns eindeseln (dies war des erste von unzähligen Reinigungsritualen, denen wir uns auf dieser Reise unterwarfen). Hat man dann auch als garstiges Mädchen, das sich frecherweise die Haare abgeschnitten und dieses Verbrechen an der eigenen Weiblichkeit nicht im Pass vermerkt hat, oder als offensichtliche Rädelsführerin einer kleinkriminellen Touristenbande (erraten: Inge!) die Passkontrolle hinter sich gebracht, darf man Indien betreten. Gleich vor den Toren das Flughafens wird man selbst noch um 24 Uhr Ortszeit von einer etwas aufdringlichen Schwüle empfangen, die einer/m (ich schreib das jetzt einmal gendergemainstreamt als Zeichen meines gutmenschlichen Willens, dann wird weiter der gynozentrischen Sprachwelt gehuldigt)auch bei völliger Reglosigkeit das Wasser aus den Poren treibt – was dann naturgemäß bei Tage kaum besser werden sollte (sehr angenehm in diesem Zusammenhang waren auch die häufigen Wechsel zwischen ...eißkalt klimatisierter Touri-Welt und indischer Realität). Der Transfer vom Flughafen zum Hotel lässt das vergnügungsabenteuerlustige Touristenherz gleich höher schlagen, zumal der bestellte Bus nicht da ist und wir mit all unserem Glumpert in Taxis umsteigen müssen. Diese sind für den Durchschnittswestler (bzw. auch für überdurchschnittlich robust konzipierte Westlerinnen wie moi) und seinen (bzw. besonders ihren!) vielen Kram vom Platzangebot her etwas sparsam konzipiert, sodass man am besten einen Arm zum Fenster raushängen lässt. Für Knautschzonen bleibt wenig Platz, auch muss der Fahrer beim Gangumrühren in meinen Knieraum ausweichen (war ihm sicher urpeinlich). Und natürlich, natürlich will ich auf der Fahrerseite einsteigen, obwohl ich eigentlich gewusst hätte, dass die Inder beim Fahren andersrum sind! Aber dass der Fahrer dann auf der falschen Straßenseite fährt, kommt mir nicht nur so vor, es ist so – aber eh nur kurz. Ein Taxi voller Gahleitners ist zuerst an unserer Seite, wir deuten dem Fahrer an, dass wir zusammengehören, woraufhin der andere Wagen rechts abbiegt. Wider Erwarten kommen Andi W. und ich als erste an, und zizerlweis auch alle anderen. Alle? Nein! Nur die Fahrgemeinschaft Andexlinger/Aichinger verlegt die Stadtrundfahrt vor und klappert dank der bemerkenswerten Unfähigkeit ihres Fahrers alle (und das sind erstaunlich viele) Ashok-Hotels in Delhi ab. Aber schon um 2:30 Uhr sind wir wieder alle vereint, niemand musste weinen.
Zur Stadt selbst lässt sich nach vollendeter Besichtigung Folgendes sagen: Sie ist bummvoll. Das muss man sich ja einmal intensiv vor Augen halten: Wien (das für unsere Verhältnisse in manchen Gegenden auch recht voll wirkt, auf der Mariahilferstraße am 8. Dezember zum Beispiel oder auch zuweilen in meiner Küche, wenn der Alois auch hinein will) bringt seine 1,8 Millionen Einwohner und Innen auf 400 km2 unter. Delhi ist zwar mehr als dreimal so groß, stopft da aber 14 Millionen Leute rein! Wem das zu abstrakt ist, der möge sich in die Altstadt begeben, dort kann dann nebenbei noch sehr effektiv eine intensive Konfrontationstherapie gegen Platzangst betrieben werden. Zwischen Rotem Fort (natürlich geschlossen) und der Jami Masjid-Moschee (echt schön, bitte anschauen – aber warum darf man davor Peitschen feilbieten? Warum nicht eine Fatwah zu diesem Thema?) wurlt ca. die Bevölkerung Österreichs. Wenn man die Rikscha nur mit einem indischen Reiseführer teilen muss, lässt sich das Ganze ja noch halbwegs komfortabel betrachten, vor allem wenn man weiß, dass man nachher in Tibet eh sehr einsam sein wird. Aber wie die Leute hier ohne Nervenkrebs aneinander vorbei- und miteinander auskommen, das ist schon faszinierend. Ich musste heute sehr oft an lieb Mütterlein denken, die hätte schon sehr viele Zustände bekommen – ganz zu Recht.




Zwei besonders hübsche von 14 Millionen. Foto: MNK


Ein Königreich für einen Elektriker.
Foto: MNK


Jammu Masjid. Foto: MNK

Entgegen den Erwartungshaltungen stehen die Kühe in Delhi nicht wirklich mitten auf der Straße, dafür aber recht oft bei Müllansammlungen. Im Grunde kann man sagen, dass sie sich hier mit den Straßenhunden Lebensraum und Funktion teilen (bitte mit allem Respekt vor ihrer Heiligkeit).


Was ich in Delhi nicht ganz verstehe, ist die Ikonographie – nicht nur die religiöse, sondern vor allem die alltägliche. Was beispielsweise will uns der Mann auf dem Filmplakat insinuieren? Hält er uns für blöd?! Wenn ja: Söm!


Hält er uns für blöd?! Foto: MNK

Zur Nachahmung empfehle ich schließlich noch den Besuch des Siegesturms Qutb Minar, der ist schön anzusehen und dazu auch noch eine der seltenen Sehenswürdigkeiten, die mit „Q“ beginnen. So schaut das aus:


Qutb Minar. Foto: MNK

Das alles geht sich an einem Tag aus, und dazu noch der Flug nach Kathmandu (und dort ein Bier in der Bar)! Aber nachher ist man ein wenig geflasht und reizüberflutet, Interessierte sollten vielleicht ein wenig länger in Delhi bleiben, dann geht sich vielleicht auch eine zünftige Milchvergiftung aus...


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Schließlich muss heute noch der erste Eindruck von Nepal aufgemerkt werden: Auch wenn am Eingangsportal des Flughafens ein Hakenkreuz prangt (alle Gutmenschen reißt es – aber dann erinnert sich der Kulturbeflissene, dass das ja eine Svastika ist!), ist dieser (der Eindruck von Nepal, nicht der Flughafen) ein durch die Bank positiver, weil:
- Es ist nicht mehr so schweineschwül;
- Den Zollbeamten eignet eine solch zauselige Harmlosigkeit, dass man von ihnen gern mit der Kirche ums Kreuz (also mit der Stupa um die Svastika) geschickt wird.
- Der Bus ist da!
- Man bekommt bei Eintritt in denselben vom Bruder vom Tenzin einen Seidenschal (katak heißt das, für die Streberlis unter euch!) um den Hals gehängt und im Hotel einen giftorangenen Begrüßungsdrink in selbigen gekippt.
- Das Hotel ist seeeehr bourgeois und schaut aus wie vom Interio eingeräumt.
- Es ist ganz still (auch wenn dieser Stille etwas Ungutes anhaftet, denn sie rührt vom curfew her, also der Ausgangssperre wegen der Maos).
- Im Garten wartet ein Planschbecken unter Bougainvilleas ("Protzblumen", sagt Coala).
- In der Bar geht die Lutzi ab – zumindest so lange, bis wir sie endlich verlassen.


Spaß in der Bar: Lucki und Susi geben sich am hinigen Klavier weg. Foto: MNK


Pool mit Protzblume. Foto: MNK

Kathmandu[1] (wird ab jetzt ganz lässig mit KTM abgekürzt) ist also des Nachts auf angenehme Weise tothosig (was Lukas auf den Gedanken bringt, Frösche abzuschlecken, um einen rauschähnlichen Zustand herbeizuführen – verwirrte Jugend!), da zahlt man auch gern fürs Bier an der Bar das Dreifache des nepalesischen Mindestlohns...
[1] Über der Frage, welche Silbe denn nun wirklich zu betonen sei, scheiden sich die Geister. Ich habe einige Zeit versucht, das etwas weltbürgerlichere „Kathmándu“ im Freundeskreis zu etablieren, musste aber wieder zur üblichen Version zurückkehren, da ich dem Druck der missbilligenden Frage „Asso. Sogt ma des jetzt so?“ nicht mehr standhielt...

Sonntag, September 19, 2004

19. September: Linz - Delhi

Es ist zwar erst 16 Uhr, aber draußen wird’s schon dumper über dem wilden Zentralasien. Ich sitze übrigens im Flieger – und ebendort wird ein seeehr klamaukiger Bollywoodfilm zum Besten gegeben, in dem ständig unmotiviert Tanzereien die ohnehin kaum vorhandene Handlung (wen’s interessiert: Bräutigam hat Muffensausen vor der Hochzeit) unterbrechen, und der meine interkulturelle Toleranzbereitschaft strapaziert. Und das Schlimmste ist: Ich kann nicht wegschauen! Dafür habe ich sicher nicht gezahlt, man sollte hier mit Einsparungen beginnen.
Fast pünktlich zur vollen Stunde niest hier irgendwer fünfmal äußerst ungezwungen – ich glaube auch ein herzhaftes akustisches Verdauungsbegleitprodukt vernommen zu haben. Schön, wenn Erwartungshaltungen nicht gleich enttäuscht werden.
Den armen Florian habe ich schon nach nur zwei gemeinsam verbrachten Stunden verschreckt. Aber wenn er doch wirklich m-i-t-t-e-n ins Klo hinein gemacht hat! Als ich ihn für dieses Missverhalten tadle, antwortet er auch noch mit Unschuldsmiene „Wohin denn sonst?“ Glücklicherweise hört sich das mit dem Klogehen eh bald auf.
Im Film wird gerade spastisch mit dem Kopf hin und her gewackelt und generell schlimm overgeacted; dann stimmt man wiedereinmal ein Lied an: „Refuse, my tiger!“ Ich mag jetzt bitte landen! Am besten gehe ich zum Kapitän und frage ihn, wie lange es noch dauert und ob es dort eine Leberknödelsuppe gibt.



Lucki macht gleich einen schlappen Eindruck.
Foto: MNK