Viel zu früh hat heute schon der Tag begonnen, außerdem batzt mein rechtes Aug; aber auch die anderen schauen um 6 Uhr nicht anders, also fad aus der Wäsche.
Am Flughafen wacht dann zumindest Max auf, da in seinem Gepäck (und an dieser Stelle werden Hausfrauen in spitze Entsetzensschreie ausbrechen) eine Flasche Rotwein (aaaaah!) in ihre Einzelteile aufgelöst wurde – es wird uns während der ganzen Wanderung ein Hauch Bordeaux umwehen. Und jeder hat wohl in seinem/ihrem tiefsten, unmoralischen Inneren gedacht „Gott sei Dank war es nicht meine Tasche!“. Also ich schäme mich an dieser Stelle ganz offiziell. Aber abgesehen davon: Warum Wein? Und warum sogar Bordeaux? Ich persönlich habe mich mit grauslichen Kräutertees und pseudoisotonischen Brausen eingedeckt – was habe ich falsch verstanden? Und hätte ich das kleine Schwarze mitnehmen sollen?
Im Flugzeug war es dann sehr exklusiv und gemütlich, vielleicht ein bisschen zu gemütlich... weil groß war’s ja nicht. Und warum bitte heißt die Fluglinie „Buddha Air“? „Fliegen Sie mit uns direkt ins Nirvana!“
Buddha Air - Fliegen Sie mit uns ins Nirvana!
Foto: MNKAlle lachen mich aus, als ich gestehe, dass mir die Situation nicht geheuer ist, und bemühen sich, mich mit dem Bericht von möglichst waghalsigen Kleinflugzeugerlebnissen zur Inkontinenz zu bewegen. Aber ich kann es gleich vorweg nehmen: Alles ist trocken geblieben.
Der Flieger muss direkt Kathmandu überqueren, ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn da was passiert. Nach wenigen Flugminuten tauchen am Horizont die ersten Berge auf, darunter vier 8000er, das lob ich mir.
Irgend so ein 8000er...
Foto: MNKNepalganj selbst liegt aber dann wieder auf Delhi-Höhe, das Klima ist dementsprechend angenehm. Der Ort präsentiert sich auf das Wunderbarste durch seine Flughafenklos, wo man das Klo-Motto „Don´t touch anything!“ mit auf die Reise bekommt. Als Entschädigung kümmert sich das Geburtstagskind von Nepalganj rührend und gschaftig um uns. An diesem Morgen hat er wohl gachgelbe Schlapfen und einen bezaubernden neuen Haarschnitt bekommen, weil er uns diese gar so stolz präsentiert. Er wachelt uns ins Gate, dann hält er uns auf, rennt hin und her und macht eigentlich gar nichts – aber er hat Geburtstag und ist deswegen sehr wichtig. Und doch: Trotz seiner rührigen Art kann er nicht verhindern, dass der Pilot befindet, wir hätten Übergewicht. Der freche Mensch geht dabei zum Beispiel davon aus, dass wir Damen je 70kg wögen! Zwar fehlt mir am wenigsten auf die 70, doch rege ich mich am lautesten auf. Schnell leert noch jeder seine Trinkflaschen aus und isst die schweren Äpfel, und auch sonst werden allerlei Gewichtsreduktionsstrategien ersonnen, aber alles für die Würscht, der Pilot bockt. Also bleiben sechs Gepäckstrümmer zurück, die beim nächsten Flug noch am gleichen Tag mitkommen sollen – sagt er.
Das Flugzeug ist noch kleiner, aber ich bin schon gaaaaanz cool. Leider nur bis zum Einsetzen des Sinkfluges, der augenscheinlich mitten in einen Berghang hinein erfolgt. Eine Landebahn ist nicht in Sicht, und dabei sähe man eh durchs Pilotenfenster. Erst als mit einem Rumpler das Flugzeug aufsetzt, nimmt man eine solche wahr. Zu meiner Überraschung ist auch diesmal die Hose trocken geblieben.
Landebahn in Simikot.
Foto: MNKSimikot ist die Bezirkshauptstadt von Humla und hat eine überraschend hohe Einwohnerzahl. Wo verstecken sich die? Für die Kinder sind wir ein Faszinosum, blondes Haar kommt wie in jeder Kultur recht gut an, aber auch ich kann wieder mit meinen Ohren punkten. Bei näherer Betrachtung sind die Kinder nicht nur niedlich und dreckig, sondern auch ein bisschen lausig, sodass ich auf weitere Ohrenpräsentationen verzichte. Sie begleiten uns auf Schritt und Tritt, und bald zeigt sich, dass dies nicht aus reiner Zuneigung geschieht, vielmehr begehren sie mit Kulis und Zuckerl beschenkt zu werden. Dabei stimmen sie einen „Hallohallohallohallo“-Singsang an, der sich schon nach wenigen Augenblicken ins Hirn fräst.
Sie haben nichts gegen Touristen.
Foto: MNKWährend wir auf den Flieger warten, flaniere ich mit den Gahli-Brothers in den Ort, flankiert von den Lausmenscherln, die kudernd meine Ohrringe zählen und dabei immer wieder von vorne anfangen. Unter einem großen, alten Baum bekommt Florian einen feisten Zwazl in den Arm gedrückt, ich muss ihn so fotografieren, als wär’ er der Hl. Don Bosco. Dann beginnen Brutpflegehormone in ihm aufzusteigen, er fantasiert von einem Leben als Gemeindearzt von Simikot... – als er den Kleinen dann doch noch zurückgeben will, verweigern die Frauen rund um uns lachend und ich überlege schon, Muttern ein ganz besonderes Souvenir mitzunehmen.
Wie auch immer, der zweite Flieger wird an diesem Tag nicht mehr kommen – offiziell weil das Wetter zwischen Nepalganj und Simikot schlecht sein soll (es ist strahlend schön), inoffiziell weil sich heute keine gut zahlenden Touris mehr gefunden haben. Und natürlich ist mein Sack nicht dabei! Eh klar. Zu sechst müssen wir in ein Guesthouse, die anderen freuen sich schon auf die erste Nacht im Schlafsack. Das Guesthouse thront ein wenig über dem Ort und entschädigt das Nichtvorhandensein meines Zahnbiaschtls durch malerische Aussicht, dicke Decken und – tätääää! – eine heiße Dusche! Das reiben wir (naja, ich zumindest) den anderen auch mit Genuss unter die Nase.
Geht doch, oder?
Foto: MNKAuch nicht schiach.
Foto: MNKDas Abendessen, das erste, das uns vom Begleitteam gefeatured wird, ist üppig und sicher nur wegen mir vollständig vegetarisch. Wir speisen fein in einem Zelt, dabei werden in bester Skikurshüttenabendmanier gar lustige Schwänke zum Besten gegeben. Auffällig wurde in dieser Hinsicht Andi W.: Von den Gebrüdern G. hatte ich schon lange vor Reiseantritt gar so manchen Schabernack erwartet – ganz zu Recht. Im Gegensatz zu ihnen verrät Andi aber mit keiner verzogenen Miene seine Scherzintention: Als uns heute im Speisezelt eine Zeltbahn die Sicht aufeinander raubte, nahm er meine Hand: „Hoit des amoi gschwind!“ Erst ein, zwei Stunden später erkannte ich, dass er mich zum Besten gehalten hatte, und ließ beschämt die Zeltstange los. Und dennoch: Das ist gelebte Menschlichkeit, die schließlich in Martinas Angebot, mir ihre Zahnbürste zu leihen, kulminiert. Wenn das Professor Hübelt erführe!
In Simikot zündet man statt der Straßenlampen einfach den Himmel an.
Foto: MNK