Ich bin mir nicht sicher, ob 10 Stunden für Delhi zu viel oder zu wenig waren – oder mehr? Ich weiß es nicht. Abenteuerlich und malerisch war es gewiss, und das für einige von uns von allem Anfang an...
Kurz vor der Landung wird man im Flugzeug auf wahrlich effektive Weise von bösen europäischen Bazillen und Konsorten befreit, indem zwei Stewardessen mit Spraydosen bewaffnet durch die Reihen schreiten und uns eindeseln (dies war des erste von unzähligen Reinigungsritualen, denen wir uns auf dieser Reise unterwarfen). Hat man dann auch als garstiges Mädchen, das sich frecherweise die Haare abgeschnitten und dieses Verbrechen an der eigenen Weiblichkeit nicht im Pass vermerkt hat, oder als offensichtliche Rädelsführerin einer kleinkriminellen Touristenbande (erraten: Inge!) die Passkontrolle hinter sich gebracht, darf man Indien betreten. Gleich vor den Toren das Flughafens wird man selbst noch um 24 Uhr Ortszeit von einer etwas aufdringlichen Schwüle empfangen, die einer/m (ich schreib das jetzt einmal gendergemainstreamt als Zeichen meines gutmenschlichen Willens, dann wird weiter der gynozentrischen Sprachwelt gehuldigt)auch bei völliger Reglosigkeit das Wasser aus den Poren treibt – was dann naturgemäß bei Tage kaum besser werden sollte (sehr angenehm in diesem Zusammenhang waren auch die häufigen Wechsel zwischen ...eißkalt klimatisierter Touri-Welt und indischer Realität). Der Transfer vom Flughafen zum Hotel lässt das vergnügungsabenteuerlustige Touristenherz gleich höher schlagen, zumal der bestellte Bus nicht da ist und wir mit all unserem Glumpert in Taxis umsteigen müssen. Diese sind für den Durchschnittswestler (bzw. auch für überdurchschnittlich robust konzipierte Westlerinnen wie moi) und seinen (bzw. besonders ihren!) vielen Kram vom Platzangebot her etwas sparsam konzipiert, sodass man am besten einen Arm zum Fenster raushängen lässt. Für Knautschzonen bleibt wenig Platz, auch muss der Fahrer beim Gangumrühren in meinen Knieraum ausweichen (war ihm sicher urpeinlich). Und natürlich, natürlich will ich auf der Fahrerseite einsteigen, obwohl ich eigentlich gewusst hätte, dass die Inder beim Fahren andersrum sind! Aber dass der Fahrer dann auf der falschen Straßenseite fährt, kommt mir nicht nur so vor, es ist so – aber eh nur kurz. Ein Taxi voller Gahleitners ist zuerst an unserer Seite, wir deuten dem Fahrer an, dass wir zusammengehören, woraufhin der andere Wagen rechts abbiegt. Wider Erwarten kommen Andi W. und ich als erste an, und zizerlweis auch alle anderen. Alle? Nein! Nur die Fahrgemeinschaft Andexlinger/Aichinger verlegt die Stadtrundfahrt vor und klappert dank der bemerkenswerten Unfähigkeit ihres Fahrers alle (und das sind erstaunlich viele) Ashok-Hotels in Delhi ab. Aber schon um 2:30 Uhr sind wir wieder alle vereint, niemand musste weinen.
Zur Stadt selbst lässt sich nach vollendeter Besichtigung Folgendes sagen: Sie ist bummvoll. Das muss man sich ja einmal intensiv vor Augen halten: Wien (das für unsere Verhältnisse in manchen Gegenden auch recht voll wirkt, auf der Mariahilferstraße am 8. Dezember zum Beispiel oder auch zuweilen in meiner Küche, wenn der Alois auch hinein will) bringt seine 1,8 Millionen Einwohner und Innen auf 400 km2 unter. Delhi ist zwar mehr als dreimal so groß, stopft da aber 14 Millionen Leute rein! Wem das zu abstrakt ist, der möge sich in die Altstadt begeben, dort kann dann nebenbei noch sehr effektiv eine intensive Konfrontationstherapie gegen Platzangst betrieben werden. Zwischen Rotem Fort (natürlich geschlossen) und der Jami Masjid-Moschee (echt schön, bitte anschauen – aber warum darf man davor Peitschen feilbieten? Warum nicht eine Fatwah zu diesem Thema?) wurlt ca. die Bevölkerung Österreichs. Wenn man die Rikscha nur mit einem indischen Reiseführer teilen muss, lässt sich das Ganze ja noch halbwegs komfortabel betrachten, vor allem wenn man weiß, dass man nachher in Tibet eh sehr einsam sein wird. Aber wie die Leute hier ohne Nervenkrebs aneinander vorbei- und miteinander auskommen, das ist schon faszinierend. Ich musste heute sehr oft an lieb Mütterlein denken, die hätte schon sehr viele Zustände bekommen – ganz zu Recht.
Zwei besonders hübsche von 14 Millionen. Foto: MNK
Ein Königreich für einen Elektriker.
Foto: MNK
Jammu Masjid. Foto: MNK
Entgegen den Erwartungshaltungen stehen die Kühe in Delhi nicht wirklich mitten auf der Straße, dafür aber recht oft bei Müllansammlungen. Im Grunde kann man sagen, dass sie sich hier mit den Straßenhunden Lebensraum und Funktion teilen (bitte mit allem Respekt vor ihrer Heiligkeit).
Was ich in Delhi nicht ganz verstehe, ist die Ikonographie – nicht nur die religiöse, sondern vor allem die alltägliche. Was beispielsweise will uns der Mann auf dem Filmplakat insinuieren? Hält er uns für blöd?! Wenn ja: Söm!
Hält er uns für blöd?! Foto: MNKZur Nachahmung empfehle ich schließlich noch den Besuch des Siegesturms Qutb Minar, der ist schön anzusehen und dazu auch noch eine der seltenen Sehenswürdigkeiten, die mit „Q“ beginnen. So schaut das aus:
Qutb Minar. Foto: MNKDas alles geht sich an einem Tag aus, und dazu noch der Flug nach Kathmandu (und dort ein Bier in der Bar)! Aber nachher ist man ein wenig geflasht und reizüberflutet, Interessierte sollten vielleicht ein wenig länger in Delhi bleiben, dann geht sich vielleicht auch eine zünftige Milchvergiftung aus...
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Schließlich muss heute noch der erste Eindruck von Nepal aufgemerkt werden: Auch wenn am Eingangsportal des Flughafens ein Hakenkreuz prangt (alle Gutmenschen reißt es – aber dann erinnert sich der Kulturbeflissene, dass das ja eine Svastika ist!), ist dieser (der Eindruck von Nepal, nicht der Flughafen) ein durch die Bank positiver, weil:
- Es ist nicht mehr so schweineschwül;
- Den Zollbeamten eignet eine solch zauselige Harmlosigkeit, dass man von ihnen gern mit der Kirche ums Kreuz (also mit der Stupa um die Svastika) geschickt wird.
- Der Bus ist da!
- Man bekommt bei Eintritt in denselben vom Bruder vom Tenzin einen Seidenschal (katak heißt das, für die Streberlis unter euch!) um den Hals gehängt und im Hotel einen giftorangenen Begrüßungsdrink in selbigen gekippt.
- Das Hotel ist seeeehr bourgeois und schaut aus wie vom Interio eingeräumt.
- Es ist ganz still (auch wenn dieser Stille etwas Ungutes anhaftet, denn sie rührt vom curfew her, also der Ausgangssperre wegen der Maos).
- Im Garten wartet ein Planschbecken unter Bougainvilleas ("Protzblumen", sagt Coala).
- In der Bar geht die Lutzi ab – zumindest so lange, bis wir sie endlich verlassen.
Spaß in der Bar: Lucki und Susi geben sich am hinigen Klavier weg. Foto: MNK
Pool mit Protzblume. Foto: MNK
Kathmandu[1] (wird ab jetzt ganz lässig mit KTM abgekürzt) ist also des Nachts auf angenehme Weise tothosig (was Lukas auf den Gedanken bringt, Frösche abzuschlecken, um einen rauschähnlichen Zustand herbeizuführen – verwirrte Jugend!), da zahlt man auch gern fürs Bier an der Bar das Dreifache des nepalesischen Mindestlohns...
[1] Über der Frage, welche Silbe denn nun wirklich zu betonen sei, scheiden sich die Geister. Ich habe einige Zeit versucht, das etwas weltbürgerlichere „Kathmándu“ im Freundeskreis zu etablieren, musste aber wieder zur üblichen Version zurückkehren, da ich dem Druck der missbilligenden Frage „Asso. Sogt ma des jetzt so?“ nicht mehr standhielt...